Übung – Craving

Achtsamkeit & Craving: Sensory Monitory/sensory focusing

Cioffi & Holloway testeten Achtsamkeit bereits 1993 bei Schmerzpatientinnen und konnten feststellen, dass die TeilnehmerInnen der „Achtsamkeitsgruppe“ sich am schnellsten vom Schmerz erholten (2 Minuten). Darüber hinaus berichtete die Gruppe danach eher distanzierter/neutraler über den Schmerz: „Ich konnte wahrnehmen, wie sich der Schmerz veränderte und nachließ.“ Diese Erkenntnisse konnten in neueren Studien (Haythornthwaite et al., 2001) repliziert werden. Durch das „sich einlassen“ auf stark negative Emotionen (anstatt diese zu verdrängen und z.B. etwas zu essen), flachen diese ab und verlieren ihre Intensität. Dieser Effekt wird bei Heißhungeranfällen und starkem Craving genutzt.

Surf the urge

Diese Technik „Urge surfing“ kommt ursprünglich aus dem Suchtbereich. Sie wurde von den beiden Therapeuten Marlatt und Gordon (1985) geprägt. Hinter dem Ansatz steckt die Hypothese, dass das starke Verlangen (das Craving) in bestimmten Situationen von Triggern ausgelöst wird, wobei das Craving nach kurzer Zeit wieder abklingt (Brewer et al., 2019). Diese Hypothese wird durch aktuelle neurophysiologische Forschungsarbeiten unterstützt. Neuere Arbeiten gehen davon aus, dass es sich beim Craving um ein konditioniertes Verhalten handelt – so wie bei dem Hund von Pawlow. Der Unterschied ist, dass wir statt der Glocke andere Auslösereize haben, wie zum Beispiel Emotionen. Oftmals sind uns diese aber gar nicht bewusst, es sind unbewusste Triggerreize. Durch das Umlenken der Aufmerksamkeit auf die aktuelle Erfahrung, also auf das Craving, ist es möglich, diese automatisierten Handlungen aufzulösen und den Autopiloten abzustellen.

Ziel dieser mentalen Technik ist es also, die Craving-Welle (dieses aufkommende Gefühl des Verlangens) bewusst auszuhalten, also quasi auf der Welle zu surfen. Meist verschwindet das Verlangen nämlich schon nach ein paar wenigen Minuten. Schaffst du es, diese wenigen Minuten zu überbrücken, ist das Verlangen in der Regel vorbei. Am Besten du probierst es einfach einmal aus. Ich selbst habe sehr positive Erfahrungen mit der Übung gemacht und auch meine Coaching-KlientInnen und KursteilnehmerInnen sind davon begeistert.

  • Sobald du Verlangen verspürst, atme tief durch und hole dir dein imaginäres Surfbrett hervor (deine Sicherheit, dein Anker)
  • Während du weiterhin bewusst atmest, stellst du dir vor, wie du auf der Welle reitest (=aushalten)
  • Bei starkem Verlangen: Wird das aufkommende Gefühl zu stark, (das Brett wackelig) lenke deine Aufmerksamkeit bewusst auf deine Atmung.
  • Bei sehr starkem Verlangen: Wird das aufkommende Gefühl noch stärker, lenke dich ggf. ab in dem du dich auf einen deiner Sinne konzentrierst: Was kannst du im Raum sehen, was kannst du hören, riechen oder fühlen? Nimm eventuell einen Igelball oder einen anderen Gegenstand in die Hand und konzentriere dich nur auf das was du wahrnehmen kannst.
  • Lässt das starke Verlangen nach, lenke deine Aufmerksamkeit wieder bewusst auf das Verlangen und stell dir vor, wie du auf der Welle weiter surfst.
  • Nach wenigen Minuten wirst du merken, dass das Verlangen weg ist. Danach kannst du bewusst entscheiden: Willst du noch immer etwas Süßes? Oder doch eher nicht?

Herzlichen Glückwunsch – du bist nun ein Wellenreiter!


Tipp: Übe die Technik am Besten zuerst an „Kleinigkeiten“. Versuch zuerst auf kleinen Wellen zu reiten. Ein untrainierter Surfer wagt sich auch nicht gleich an die Monsterwelle. Wenn es funktioniert, dann freu dich. Wenn nicht, dann war es eine Übungseinheit – sei stolz, dass du geübt hast. Das nächste Mal geht es vielleicht schon etwas besser.

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Achtsamkeitsübungen trainieren dich darin, achtsam im Moment zu sein, aktuelle Gefühle & Gedanken in einer nicht bewertenden Form wahrzunehmen und nicht zu reagieren. Du kennst das von den ganzen Übungen bis dato. Auch die Übung Loslassen zu Beginn des Kurses, gehörte dazu. Richtest du deine Wahrnehmung auf starke Gefühle (wie in dieser Übung) wirst du wahrnehmen können, dass Gefühle nach einigen Momenten ganz von alleine abklingen. Du kannst wahrnehmen wie die Flut an Gefühlen abflacht und ihre Intensität verliert. 

Ich finde diese Erfahrung gibt Sicherheit, denn du erfährst damit auf eine ganz bewusste und besondere Weise, dass alles Negative und Schmerzhafte vorbei zieht und am Ende alles gut werden wird. Es macht dich stärker, deine Sicherheit und Zuversicht wird wachsen.